Ich kenne fast niemanden mehr, der oder die nicht inzwischen schon unter Rückenschmerzen gelitten hat. Die Ursachen bleiben teilweise verborgen, wenn nicht ein Arzt oder Therapeut aufgesucht wird. Daher möchte ich die hier zeigen welchen Mehrwert das Reiten bieten kann und wo wir an uns selbst noch etwas arbeiten sollten.
Wie sieht eine gesunde Wirbelsäule aus?
Eine normale und gesunde Wirbelsäule besteht aus 7 Halswirbeln, 12 Brustwirbeln und 5 Lendenwirbeln. Sie hat eine Doppel-S- Form, d.h. vier Bögen. Zwischen den einzelnen Wirbelkörpern befinden sich Bandscheiben. Diese haben einen gallertartigen (also wie Gelee) Kern und einen Knorpelring außen herum. Jede Bandscheiben bildet zu ihrem darüber und darunterliegenden Wirbel ein Gelenk. Ebenfalls Die einzelnen Wirbel zueinander. Diese Konstruktion wird durch Bänder an Ort und Stelle gehalten.
Für eine weitere Stabilisierung sorgen dann Muskeln. An der Wirbelsäule ist das eine unglaubliche Vielzahl von kleinen Muskeln, die jeden Wirbel untereinander, aber auch über mehrere hinweg miteinander verbinden und für Gerade-, Seit-und Rotationsbewegungen genutzt werden.
Wie bewegst du dich gesund?
Eine gesunde Wirbelsäule kann alles und darf alles. Ob du jetzt mit gebeugtem Rücken etwas aufhebst oder mal zur Seite einen Gegenstand anhebst: Es sollte kein Problem für dich darstellen. Dabei hat jeder Wirbelsäulenabschnitt allerdings seine Lieblingsbewegungsrichtung. Dies ist den Stellungen der Facettengelenke geschuldet, die die einzelnen Wirbel untereinander beweglich verbinden.
Die Lendenwirbelsäule
Die Lendenwirbelsäule bewegt sich am besten in der sogenannten Flexion (Beugung) und Extension (Streckung). Das bedeutet, wenn du eine Beckenkippung und- aufrichtung machst, bewegst du die Lendenwirbel in Flexion und Extension mit.
Die Brustwirbelsäule
Dieser Wirbelsäulenabschnitt bewegt sich unglaublich gut in Rotation. Etwas was die Lendenwirbelsäule nur minimal zulässt. Wenn du auf einem Stuhl sitzt und dich nach links und rechts um dich selbst drehst, geschieht diese Bewegung zum Großteil in der Brustwirbelsäule.
Die Halswirbelsäule
Eigentlich so kurz und doch ein wahres Bewegungswunder. Dieser Abschnitt bewegt sowohl in Flexion und Extension, als auch in Rotation und zusätzlich noch in Seitneigung verblüffend weit. Daher ist es sehr wichtig, dass unsere kleine Halsmuskulatur immer ausreichend gestärkt ist, um Schädigungen durch zu viel Bewegungen (Überlastung) entgegenzuwirken.
Fun Fact: Die Halsmuskulatur lässt sich u.a. durch Übungen für die Augen trainieren oder sogar entspannen. Damit kann diese Muskulatur z.B. mit Sehproblemen oder auch dem Tinnitus in Verbindung gebracht werden.
Was gibt es für Schmerzursachen?
Bandscheiben
Fangen wir mit dem Schreckgespenst eines jeden/ jeder Patient:in an: Der Bandscheibenvorfall. Zugeben, das tut verdammt weh und sollte definitiv behandelt werden, aber es ist nicht gleich ein „Todesurteil“.
Beim Bandscheibenvorfall verliert die Bandscheibe in erster Instanz an Wasser und wird damit flacher und und unelastischer. Absolut normal mit fortschreitendem Alter. Allerdings werden dadurch Einrisse im Faserknorpel ( dem äußeren Teil der Bandscheibe) provoziert. Dies geschieht durch die poröser werdende Struktur, die mit diversen Bewegungen (z.B. ins leere Treten, mit gebeugtem Rücken etwas heben) kaputt gehen können. Der eingerissen Faserknorpel hält nun den Kern nicht mehr vollkommen zurück und dieser tritt aus, oftmals in Richtung des Wirbelkanals, in dem die Nerven entlang laufen. Je mehr der Kern ausgetreten ist, desto schwerer der Bandscheibenvorfall. Dadurch, dass die Nerven direkt betroffen sind, ist der Schmerz besonders gemein.
Arthrose
Bei der Arthrose an der Wirbelsäule spricht man von der Spondylarthrose. Dabei sind im Speziellen die kleinen Wirbelbogengelenke betroffen. Hier ist wieder die Bandscheibe der auslösende Übeltäter. Durch Abnahme der Höhe in der Bandscheibe werden die – in normalen Zustand straffen – Bänder leider locker. Damit kann nicht nur ein Bandscheibenschaden entstehen, sondern es kommt zur Überlastung der sich annähernden Wirbelbogengelenke. Die Kompression in diesen Gelenken wird größer und die Nervenaustrittslöcher werden kleiner. Damit kann es wieder zur Nervenreizung kommen und Schmerzen entstehen.
Engstellen
Eine weitere Ursache kann muskulärer Natur sein. Oftmals geht diese mit einem noch nicht erkannten Problem eines Gelenks einher. Dabei gibt es immer wieder Engstellen, die ein Nerv passieren muss. Wenn ein Muskel nun “dicht” macht, kommt es zur Verengung an dieser Stelle und der Nerv wird komprimiert. Zwei sehr bekannte Beispiele sind das Gesäß (“Ischias” “Hexenschuss”) und die Leiste.
Wie kommt es zu Rückenschmerzen als Reiter?
Nun kennt wahrscheinliche jeder Leser das Problem von Rückenschmerzen auch als Reiter. Mit anderen Worten bewegst du dich doch ausreichend.. oder nicht?
Bewegungsmuster
Zuerst einmal die Bandscheibe und Gelenke werden von Be- und Entlastung und einem variantenreichen Bewegungsspektrum optimal versorgt. Als Reiter ist es eine super Möglichkeit bei Rückenschmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule, die sich am liebsten in Beugung und Streckung bewegt, die Gelenke zu schmieren. Durch die Beckenkippung und -aufrichtung, während des Reitens, führst du genau diese Bewegung permanent aus. Allerdings werden der Abschnitt der Brust- und Halswirbelsäule stabil gehalten. Diese dürfen ihre Lieblingsbewegungen nicht ausführen und werden damit einseitig belastet.
Schlecht trainierte Muskulatur
Da dürfen wir als Freizeitreiter uns wahrscheinlich alle etwas an die eigene Nase fassen. Jeder weiß um die eigenen körperlichen Baustellen. Ob es nun die zu schwache Bauchmuskulatur ist, die theoretisch den Rücken stützen und entlasten sollte oder ein allgemein schlechte Körperhaltung. Wir sollte immer bedenken, dass wir sobald wir uns auf den Rücken unseres Pferdes setzen, auch die Verantwortung für seine körperliche Unversehrtheit haben. Damit trainieren wir nicht nur für uns, sondern u.a. für einen Freund. Daher sollte wir uns überlegen, ob wir mit schlaffer Körperhaltung uns bequem auf dem Rücken unseres Pferdes setzen und ein wenig auf der Vorhand rumdümpeln, oder vielleicht doch lieber an uns arbeiten, trainieren und auf unserer beider Gesunderhaltung achten, sowie mit aufrechter Haltung auf unserem Pferd platz nehmen.
Unpassender Sattel
Bei der Überschrift denkt jeder zuerst an sein Pferd. Doch es ist absolut essentiell, dass dir dein Sattel auch passt. Wenn du im Sattel nicht richtig Platz nehmen kannst, wirst du anfangen auszuweichen und keine richtige Haltung einnehmen können. Damit kannst du den Schwung, den dein Pferd in der Vorwärtsbewegung aufbringt nicht mit deinem Körper absorbieren. Die Folge ist, dass du ein wirklich unangenehmer Beifahrer für dein Pferd wirst, es schlechter unter dir läuft und du ebenfalls körperliche Leiden davontragen wirst.
Ein Beispiel ist der Unterschied zwischen dem männlichen und weiblichen Becken und den damit verbundenen unterschiedlichen Ansprüchen an einen Sattel. Wenn beide den gleichen Sattel benutzen und er für den Mann bequem passt, kommt der Mann deutlich später mit seinem Schambein vorn am Sattel an. Bei der Frau liegt es hingegen permanent auf.
Daraus resultiert, dass im Schwung versucht wird auszuweichen, da es schneller anfängt zu scheuern und man seine beste Freundin südwärts nun mal nicht, wie ein Mann seine Kronjuwelen, an die Seite legen kann. Maria Mercedes Bausch
Die Folgen sind Vielseitig: Der Stuhl- oder Spaltsitz und diversen anderen Formen von “Entlastungssitzen”. Letztendlich wird in jedem Fall die Muskulatur falsch beansprucht, da Bewegungen nicht mehr in voller Gänze mit gemacht werden können und die Gelenke erleiden eine Überbeanspruchung.
Vorschädigungen
Für alle die jetzt Panik bekommen, dass Reiten schlecht sein könnte, die kann ich beruhigen. In einer Studie wurden über 500 Reitern aus verschieden Disziplinen getestet. Dabei ergab sich, dass der Rückenschmerz, den sie hatten durch das Reiten nicht weiter beeinflusst wurde. Ein Glück . Nichts desto trotz, sind bei Reiten gehäufter als bei der Durchschnittsbevölkerung Rückenschmerzen aufgetreten. Den Zusammenhang konnte in der Studie allerdings nicht gefunden werden.
Bedenke bitte, dass es absolut nicht ratsam ist, dich in der Akutphase aufs Pferd zu setzen. Des Weiteren ist es wichtig, dass du immer an falsche Bewegungsmustern arbeiten musst, um die Gesundheit deiner Wirbelsäule zu erhalten. Kläre bitte vorher mit deinem Arzt Therapeut, ab wann der richtige Zeitpunkt ist wieder mit Sport anzufangen. Außerdem empfiehlt es sich deinen Trainer nach einem akuten Rückenproblem mit einzubeziehen, um nicht (weiter) in falschen Bewegungsmustern zu reiten.
Wasser
Ein weiterer gern vernachlässigter Aspekt, der nicht direkt etwas mit dem Reitsport zutun hat und selten mit Rückenschmerzen in Verbindung gebracht wird, ist die Wasserzufuhr. Frag dich bitte selbst, ob du genug getrunken hast. Alle Strukturen in deinem Körper sind unglaublich abhängig von der Flüssigkeitszufuhr. Eine Bandscheibe beispielsweise besteht zu >70% aus Wasser. Da kann 1 Liter mehr am Tag eine ganze Menge für Muskeln und Gelenke ausmachen, wenn dein Stoffwechsel besser funktioniert.
Wie schaffe ich Abhilfe?
Zum Reiten lohnt es sich absolut noch einen Ausgleichssport zu machen, der die Mobilität und Kraft unterstützen kann. Mareike ist da ein Freund des Yogas, ich mache sehr gern Koordinationstraining kombiniert mit leichten Gewichten und wir sind beide gern in der Natur mit und ohne Pferd zum Wandern unterwegs.
Dabei ist es wichtig für die Gesunderhaltung deines Rückens, die Flexibilität in deiner Brustwirbelsäule zu erhalten oder zu verbessern. Damit entlastet du automatisch deine Halswirbel- und Lendenwirbelsäule. Zusätzlich empfiehlt es sich die Rumpfmuskulatur wöchentlich zu trainieren, um der Lendenwirbelsäule Stabilität zu gewährleisten. Beim Reiten wird es dir damit immer leichter fallen schwungvollere Pferde zu bewegen und nicht wie ein Sack im Sattel rumplumpsen. Zudem verbesserst du damit weiter den Stoffwechsel in deiner Muskulatur, sowie in den Gelenken und Bandscheiben. Bei vorhandenen Vorschädigungen ist das ein gewünschter Effekt, um Heilungen zu beschleunigen oder weiteren Schäden vorzubeugen. Damit wird der Reitsport für uns und unsere Pferde gesünder und hoffentlich mit weniger Rückenschmerzen.
Quellen
Physiotherapie in der Orthopädie – Antje Hüter Becker und Mechthild Dölken
Biomechanik, Bewegungslehre, Leistungsphysiologie und Trainingslehre – Antje Hüter Becker und Mechthild Dölken
https://www.thieme-connect.de/products/ejournals/abstract/10.1055/s-2007-963038?device=mobile&innerWidth=360&offsetWidth=360