Dieser Artikel behandelt den Sehnenschaden am Pferd eher allgemein. Es werden Risikofaktoren, Therapiemöglichkeiten und die damit verbundene Zellphysiologie erklärt. Die Ursachen werden in einem weiteren Artikel im Zusammenhang zur Tiefen-, Oberflächlichen Beugesehne und dem Fesselträger betrachtet. Ich möchte dir hier aufzeigen, wie die Therapie auf die einzelnen Heilungsphasen angepasst werden sollte und wie du dein Pferd unterstützen kannst.
Eine gesunde Sehne
Bevor wir zum Thema des Sehnenschadens kommen, möchte ich dir vorab kurz beschreiben wie eine gesunde Sehne aussieht und strukturiert ist. Eine Sehne ist immer die Zwischenschaltung von Muskel und Knochen, Sie besteht aus einzelnen meist längs ausgerichteten Fasern. Diese Fasern fasst man als Faserbündeln zusammen. Die Fasern liegen parallel zueinander. Durch diese Anordnung schafft die Sehne eine optimale Übertragung der Zugkraft vom Muskel auf den Knochen. Dabei besteht die Sehne zu 98% aus dem sogenannten Kollagen Typ I( ein bestimmter Bindegewebetyp). Dieses zeichnet sich durch seine enorme Reißfestigkeit aus und sorgt für verhältnismäßig dicke Fasern. Wichtig zu erwähnen ist, dass in dieser bindegewebigen Struktur kaum Nerven und Blutgefäße vorhanden sind, was eine Heilung sehr erschwert.
Risikofaktoren für einen Sehnenschaden am Pferd
Beginnen wir nun mit den Risikofaktoren, die einen Sehnenschaden begünstigen können. Insgesamt kann es jedem Pferd immer und fast überall passieren. Eine Gefahr besteht theoretisch immer (auf der Weide in ein Loch treten, auf nassem Boden wegrutschen, etc.), so wie wir einen Unfall bauen könnten, wenn wir am Straßenverkehr teilnehmen.
In einer Studie an Kaninchen ergab sich, dass eine absolut gesunde Sehne nicht reißt. Jede Sehne bei der es zu Verletzungen kommt, wird bereits vorher eine Schädigung haben. Oftmals unbemerkt. Denn bevor eine gesunde Sehne sich verabschiedet, bricht entweder der Knochen oder es zerreißt den Muskelbauch.
Der erste Risikofaktor ist ganz klar das Übergewicht. Bei einer Messung kam heraus, dass ein Pferd auf dem Fesselträger bis zu 250% und auf der Tiefen Beugesehne 200% seines eigenen Körpergewichts nach einem Sprung trägt. Als Schlussfolgerung kann man an dieser Stelle sagen, dass ein leichtes Pferd dabei deutlich im Vorteil ist.
Ebenfalls ist der Trainingszustand entscheidend. Ein untrainiertes Pferd hat ein höheres Verletzungsrisiko, wenn der Muskelapparat keinen vernünftigen Halt gibt. Zusätzlich haben zu schnell antrainierte Pferd ein Problem mit Überlastung. Gelenke, Sehnen und Bänder kommen bei einem zu straffen Trainingsprogramm nicht so schnell hinterher, wie ein Muskel es anfänglich vielleicht noch kann. Beim Training ist die Wahl des Untergrundes entscheidend. Ein Training auf zu einseitigen Böden (z.B. nur auf Sandboden in der Halle) bei denen kein Anspruch ans Gleichgewicht gestellt wird, bedingt eine schlechtere Trittsicherheit. Auf der Gegenseite sind sehr weiche und tiefe Böden dafür immer in Verhältnis zum Trainingszustand zu setzen und evtl. doch zu vermeiden. Vor Allem wenn eine Vorschädigung bekannt ist.
Die weniger bis gar nicht zu beeinflussenden Faktoren sind Stellungsfehler in den Gliedmaßen, die zur Überlastung des Sehnenapparats führen. Außerdem können bei Knochenzubildung am Griffelbein die Sehnen daran ‘reiben’, was für eine Schädigung sorgt. Weiter gibt es Rassen z.B. Rennpferde, Quarter, die für ein Sehnenschaden prädestiniert sind. Ob es an der Rasse liegt oder an dem spezifischen Training das mit der Rasse in Verbindung gebracht wird, sei dahingestellt.
Symptome beim Sehnenschaden am Pferd
Im Normalfall treten als erstes die Symptome einer normalen Entzündung auf. Der Bereich am Röhrbein ist geschwollen und warm, das Pferd ist lahm. Zusätzlich kann es bei den Faserrissen zu Schwellung bzw. entzündlichen Prozessen der Schleimbeutel kommen. Tritt eine Teil-Zerreißung (Ruptur) direkt im oder nach dem Training auf, ist manchmal im ersten Moment nicht mehr als ein Lahmheit festzustellen. Die Entzündungszeichen folgen dann relativ schnell. Bei einer Sehnenschaden am Pferd wird die Druckempfindlichkeit durch langsames Anheben der Gliedmaße und gleichzeitigem Abtasten getestet. Im Stand auf festem Untergrund ist sie unempfindlich.
Bildgebende Verfahren
Zur Feststellung eines Sehnenschadens am Pferd und Differenzierung zwischen beispielsweise eines Einschusses, der Tiefen – oder der oberflächlichen Beugesehne kommt routinemäßig das Ultraschallgerät zum Einsatz. Ohne Strahlenbelastung und etwas verträglicher für den Geldbeutel muss diese Schwarz- Weiß- Komposition gedeutet werden können. Dies Bedarf etwas Erfahrung und Übung. Für den Leihen ist ganz einfach zu sage: weiß ist der Knochen, dunkelgrau bis schwarz ist die Flüssigkeit und weiß gesprenkelt sind die Sehnen. Bei einem Befund sind meist gräuliche Bereiche in der Sehne und ringsherum, da es zur Schwellung bzw. Flüssigkeitsansammlung im gerissenen Bereich kommt. Ein Röntgen wird in den aller seltensten Fällen genutzt, da es lediglich Kalkablagerungen in der Sehne darstellt. Zur Bildgebung wäre ein CT schön, ist allerdings mit einer Vollnarkose und immensen Kosten verbunden und daher nicht empfohlen.
Eine Biopsie wäre noch möglich, allerdings nur mit einer sehr feinen Kanüle (>0,9mm), da bei einer größeren Entnahmestelle der Sehnenschaden des Pferdes sich vergrößert und die Lahmheit bestehen bleibt.
Wundheilung beim Sehnenschaden am Pferd
Da sich in den letzten Jahren verschiedenste Methoden entwickelt haben, möchte ich dir einige der gängigsten in der Literatur auftauchenden aufzeigen und näher erklären, was du selbst tun kannst, um dein Pferd mit Sehnenschaden bei seiner Heilung zu unterstützen.
Wenn die Diagnose lautet “ihr Pferd hat einen Sehnenschaden” gibt es verschieden Maßnahmen, die Ergriffen werden können. Das Ganze wird dabei abhängig von der entsprechenden Heilungsphase gemacht.
Akute Phase/ Entzündungsphase (Tag 0- 7/10)
Boxenstopp ist angesagt. In dieser Phase sind die Symptome am heftigsten und der Körper leistet enorme Arbeit. Es kommt zur Einblutung und das Immunsystem mit seinen Granulozyten und Makrophagen fängt an die Zelltrümmer wegzuschaffen. Gleichzeitig sorgt sogenanntes Fibrin in Verbindung mit Blut für den ersten Flicken in der Sehne (das passiert auch wenn wir uns geschnitten haben und Schorf entsteht.) Die Gefäße werden vom Körper weit und durchlässig gestellt, damit der Stoffwechsel so hoch wie möglich fahren kann. In diesem Stadium wird Ruhe, Entzündungshemmer und Kälte mit beispielsweise Kühlgamaschen verordnet, um eine überschießende Entzündungsreaktion zu vermeiden. Wichtig ist, dass der Entzündungshemmer kein Cortison ist. Die Gefahr einer Verkalkung besteht.
Du kannst dir hierfür entweder Kühlgamaschen kaufen oder deinem Pferd mit Perkutinpaste das betroffene Bein einreiben. Diese ist teils mit Arnika versetzt und hilft bei Entzündung.
Proliferationsphase (ca.4.- 45. Tag)
Die Entzündungsphase überlappt zeitlich mit der Proliferationsphase. Hierbei fangen Blutgefäße an in das zerstörte Gewebe einzusprießen und unterstützen die Bildung von Granulationsgewebe (Schorf). Gleichzeitig kommt es zu den ersten Heilungsprozessen mit Fibroblasten (Zellen, die an der Bildung von Kollagen bzw. Bindegewebe beteiligt sind). Ab dem ca. 6. Tag entstehen Kollagen Typ III Fasern im Gewebe. Dieser Kollagentyp hat den Nachteil, dass er weniger parallel ausgerichtet ist und damit die Zugbelastung, nicht wie sein Bruder Kollagen Typ I verträgt. Im weiteren Verlauf der Heilung nimmt der Anteil an Kollagen Typ I noch zu, erreicht aber nicht mehr den Ausgangswert von 98%.
In dieser Phase wird meist mit leichter Schrittarbeit begonnen. Diese erfolgt auf festem Boden, um die Sehne nicht unnötig zu strapazieren. Damit wird der erste Anreiz für den Körper gesetzt, die Zellen in eine gewisse Ordnung zu bringen. Dies muss immer in Absprache mit dem Tierarzt geschehen!
Reifungsphase ( 45. Tag bis 120. Tag)
In dieser Phase findet eine qualitative Ausarbeitung des Narbengewebes statt. Der Körper tut nicht mehr als er muss und passt sein Gewebe entsprechend der geforderten Belastung an. Hierbei muss das Gleichgewicht zwischen Unter- und Überforderung gefunden werden. Nur dann kann der Körper die Sehnen anfangen in Längsrichtung auszuarbeiten, eine parallele Anordnung zu schaffen und mehr Kollagen Typ I einzuarbeiten. Diese ist leider trotzdem nicht genauso zugfest wie das gesunde Gewebe.
Spritzen
Ab dieser Phase sind die Therapiemöglichkeiten deutlich größer. Eine Option ist das Unterspritzen bzw. Anspritzen der Sehne. Dabei wird z.B. Hyaluronsäure genutzt. Diese soll die Ausrichtung der Fasern verbessern und wirkt Entzündungshemmend, schmerzlindernd und soll die Heilung verkürzen. Die Wirkung ist je nach Quelle umstritten.
Eine weitere und neuere Möglichkeit ist die PRP- Methode ( Platlet- Rich- Plasma- Methode) bei der entweder aus dem Blutplasma oder dem Knochenmark Thrombozyten im Labor isoliert werden. Diesen haften bestimmte Wachstumsfaktoren an, die die Sehnenheilung stark verbessern. Diese Methode kommt allerdings bereits nach zwei bis vier Wochen zum Einsatz.
Bei der Injektion von diversen Mittel macht sich ein Fass ohne Boden auf. Es gibt inzwischen diverse Methoden, mit unterschiedlichen Wirkungsweisen. Weitere wären beispielsweise PSAGAG oder das Präparat IRAP. Im weiteren Verlauf möchte ich allerdings noch andere Verfahren zur Heilungsverbesserung vorstellen und den Text nicht mit verschiedensten Präparaten bombardieren.
Operativ
Operativ gibt es eine veraltete Methode, das sog. Sehnensplitting. Hierbei wird die Sehne eröffnet, damit Blut abfließen kann und sich nicht staut. Dabei entsteht allerdings eine weitaus größere Wunde und es verursacht mehr Narbengewebe.
Weiter ist die High Check- Methode bei der das Unterstützungsband zwischen Vorderfußwurzelgelenk und der Oberflächlichen Beugesehne durchtrennt wird.
Für dich zu Hause
Was du von zu Hause tun kannst, ist mit deinem Hufschmied und einem Physiotherapeuten zusammenzuarbeiten. Hier gibt es Möglichkeiten den Beschlag anzupassen. Für die oberflächliche Beugesehne empfiehlt es sich die Schenkel des Hufeisens zu verlängern und bei einem Schaden an der Tiefen Beugesehne die Zehe möglichst kurz zu halten und die Trachten zu erhöhen.
Mit der Physiotherapie kannst du gemeinsam einen angepassten Trainingsplan erstellen und schauen, dass gelegentlich für Entspannung aller anderen Strukturen gesorgt ist, damit diese nicht permanent überlastet werden. Du kannst dir selbst Massagetechniken zeigen lassen. Besonders für den Anfang eignet sich die Massage, wenn dein Pferd noch nicht gern wieder Last auf das verletzte Bein aufnimmt. Später, wenn der sichere Dreibeinstand wieder möglich ist, kannst du mit Dehnungen beginnen. Dies eignet sich auch um der verletzten Sehne einen Reiz zur Längsausrichtung der Fasern zu geben. Außerdem gibt es Therapeuten, die bei Sehnenverletzungen Blutegeltherapie anbieten.
Zusätzlich kannst du die sogenannte Propriozeption trainieren. Die Propriozeption ist die Tiefensensibilität. Dabei senden bestimmte Nervenzellen, die in den Gelenken, an Sehnen, Bändern und in Muskeln aufzufinden sind, Signale über die Stellung der Gliedmaßen und des gesamten Körpers im Raum ans Gehirn. Mit anderen Worten, um zu wissen wo sich dein Bein befindet, musst du nicht hinschauen. Deine Nerven regeln das für dich.
Diese Fähigkeit ist bei einem Sehnenschaden an deinem Pferd in gewisser Weise eingeschränkt. Dabei empfiehlt sich ein Training auf Balance-Pads oder Plufsig Unterlagen von IKEA. Zuerst gewöhnt sich dein Pferd dabei an das Pad. Als nächstes kannst du Gewichtsverlagerung üben, z.B. durch tiefes fressen lassen nach vorn oder mit einem Leckerchen, das du ihm an der Seite anbietest eine Verlagerung nach links oder rechts provozierst. Weiter kannst du auf den Pads das Hufe auskratzen trainieren. Im letzten Teil und unter Absprache mit dem Tierarzt eignen sich Waldböden und leichte Unebenheiten. Zuerst zu Fuß, später unter dem Reiter. Wichtig ist Geduld zu bewahren und mit regelmäßigen Kontrollen den Heilungsverlauf zu betrachten und das Training darauf anzupassen und erneuten Schäden vorzubeugen, aber auch nicht zu lang zu schonen.
Die wichtigsten Don’ts in jeder Phase
Zu vermeiden sind definitiv Kaltstarts, enge Wendungen und wie vorweg schon beschrieben tiefe und sehr unebene Böden.
Zusammenfassung
Der Sehnenschaden am Pferd ist eine langwierig Angelegenheit, da Sehnen ein schlecht durchblutet Gewebe sind. Die qualitative Ausarbeitung der Narbe kann dabei von 1 bis 3 Jahre dauern. Daher empfiehlt sich vorweg schlichtweg die Pflege zu gesunden Sehnen um Rupturen zu vermeiden. Dabei ist eine ausgewogene Ernährung, angemessen Aufwärmen und Training auf verschiedenen Böden und evtl. ein zusätzliches Tiefenwahrnehmungstraining empfehlenswert. Das spart Zeit, Nerven und Geld.